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Visitenkarten

von Peter Nawrot

Wodurch unterscheidet sich der Mensch vom Affen? Richtig, durch Visitenkarten.

Beim ersten Treffen mit japanischen Geschäftsleuten steht man vor dem – noch – unerklärlichen Phänomen, dass anstelle der erwarteten Begrüssung jedermann (es gibt keine – ernst zu nehmenden – Frauen im japanischen Geschäftsleben) mit gesenktem Blick in allen möglichen Taschen kramt. Zum Vorschein kommen keine Taschentücher, Geldbörsen oder ähnliches, sondern ‚meishi’, d.h. Visitenkarten. Jeder drückt nun jedem die seinige in die erwartungsvoll ausgestreckte Hand. Es folgen einige Minuten des Schweigens - jeder liest eifrig - , und dann erst geht die Begrüssung los. Auf der Visitenkarte stehen ausser Namen und Adresse immer auch Position und Firmenname, womit der Geschäftspartner in seiner hierarchischen Stellung eingeschätzt werden kann. Und damit ist die notwendige Höflichkeitsebene fest vorgegeben. Die Welt ist in Ordnung.

Japaner möchten am liebsten im berühmten Mauseloch verschwinden, wenn man zwar ihre Visitenkarte entgegennimmt, mit seiner eigenen aber nicht herausrückt (oder keine besitzt oder bereits alle verteilt hat oder ...). So floriert die Visitenkartenindustrie. Da sich jeder klangvolle Bezeichnungen beliebig zulegen kann, ist der Firmenname und damit die Firmenbedeutung unerlässlich, der Präsident einer Zwei-Mann-Firma ist anders anzusprechen als der Präsident von Toyota.

Noch ein Tip, da die Japaner bei Meetings meistens in Fussballmannschaftsstärke antreten, sollte man genügend Visitenkarten dabeihaben. Es macht keinen guten Eindruck, wenn man die Gesprächspartner bitte muss, die Karte nach dem Lesen zurück- oder gar weiterzugeben.