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Zen und Budo

Kawaraban Nr. 9

01/1992

von Kamata Shigeo

(Ehrenprofessor der Universität Tokyo)

(Professor Kamata hielt am 22. Dezember letzten Jahres vor der Bonenkai-Feier eine Rede, deren Punkte hier zusammengefasst sind. Wir sind überwältigt, wie der Professor immer so voller Energie trainiert und wie er an jenem Tage mit seiner Rede durch Tiefe und Witz etwa 100 Schüler in seinen Bann zog.)

Das, was man früher ‚Bujutsu’ genannt hatte, begann man vom Ende der Bürgerkriegszeiten bis in die frühe Edo-Zeit hinein ‚Budo’ zu nennen. Hierbei zeigt sich der Wandel weg von einer Sache, bei der es genügte, auf die Schwachpunkte eines Gegners zu zielen und ihn von vorne oder hinten zu erschlagen. Und hier kann man den Bezug zum `Zen` aufzeigen.

Derjenige, der das vollendet hatte, war Yagyu Tajima no Mori Munenori. Doch zuerst hat sich mit Anbruch der Edo-Zeit der als Schwertmeister berühmte Kamiizumi Ise no Mori in den Bergen mit Zen beschäftigt. Voller Hingabe vertiefte er sich in Zazen und die Schwertkunst. Danach, sagt man, hätte sich seine Schwertführung verändert. Als nächster zog sich Tsukahara Totsutemo in die Berge zurück, als er beim Training in eine Sackgasse geriet.

Das Gute beim Zazen liegt darin, dass dabei das Körperzentrum (Seikatanden) trainiert werden kann, da man nicht mit der Nase sondern mit dem Tanden (ein Punkt etwa 10 cm unter dem Nabel) atmet.

Ferner gab es Yagyu Munenori, der den Lebensstil seines Vaters Sesshusai ablehnte, das Dorf der Yagyus verlies und durch die verschiedensten Gegenden Japans zog. Als er eines Tages im Garten des Daitokuji Tempels voller Ernsthaftigkeit sein Schwert schwang, hat er dem damals jungen Takuan, von dem er kritisiert worden war, geantwortet: „Kann man durch Zazen Erkenntnis erlangen?“ Es wird berichtet, daß auf Grund von Takuans Antwort: „Wenn man durch Zazen Erkenntnis erlangen würde, bräuchte man keinen Buddhismus. Und wenn alle zu Buddhas werden würden, würde es langweilig werden auf der Welt. Doch weil es nur langweilige Menschen gibt, ist es lustig auf dieser Welt.“, dachte Munenori, daß an diesem buddhistischen Priester etwas Besonderes wäre, und eine Freundschaft entstand. Auch hat Munenori durch ihn die Geheimnisse der Schwertkunst erfahren, und Zen und Budo haben sich vereinigt.

Bald darauf, zum Ende der Edo-Zeit, lebte Yamaoka Tesshu. Der Begründer des Aikidō, Ueshiba Morihei, hat sich zwar nicht mit Zen beschäftigt, aber er hat sich ebenfalls in die Berge zurückgezogen. Es wird gesagt, dass er dort durch hartes Training Erleuchtung erfuhr.

Miyamoto Musashi (1584-1645) praktizierte in den Bergen Zazen, erlangte Erleuchtung und veröffentlichte das ‚Buch der 5 Ringe’ (GoRinSho). Ein beliebter Ausspruch von ihm war „chotan yuren (Am Morgen formen, am Abend stählen)“. Er meinte damit, anfangs 3 Jahre lang eine Basis zu formen und danach 30 Jahre lang daran zu arbeiten. In diesem Buch steht im Vorwort geschrieben: „Ich habe mir beim Schreiben tendo (den goldenen Mittelweg) und die Göttin Kannon als gedankliche Grundlage genommen .“ Ich habe es geschrieben, weil ich etwas gemeistert habe, das das Universum durchdringt, obwohl man weder den goldenen Mittelweg (tendo) noch die Göttin Kannon mit den Augen sehen kann.

Es gibt in Takuan Zenji’s ‚Vom Unbewegten Begreifen’ die Worte: „Wir dürfen mit dem Geist nicht auf einem Punkt verharren“, was bedeutet, daß sich der Geist über den ganzen Körper verteilen muss. Tokugawa Iemitsu (1604-1651) hatte einen Tempel errichtet und wollte Takuan gerne willkommen heißen, aber Takuan war solch ein Mensch, der in seinem Testament schrieb: „Ich weise das Abbrennen von Weihrauch durch Iemitsu zurück. Den Weihrauch buddhistischer Mönche lehne ich noch mehr ab. Das Singen von Sutren und Trauergaben brauche ich auch nicht. Werft meine Leiche hinter die Berge“. Munenori schrieb zu jener Zeit, in der er von ihm Unterweisungen erhielt, die Werke ‚Das tötende Schwert’ und ‚Das Leben spendende Schwert’. Darin sagt er: „Das Schwert, das Menschen tötet, wird zum Schwert, das Leben spendet. Man muss unbedingt vermeiden, an einer einzigen Sache zu haften. Wie man den Weg auch immer beschreiben mag, es ist ein zu jederzeit gültiger Weg. Zu dem `allgemeingültigen Weg` sagt man im Zen `allgegenwärtiger Geist`. Ein allgegenwärtiger Geist ist ein Geist, der an nichts haftet. Man darf beim Abschiessen eines Pfeiles nicht daran denken, das Ziel zu treffen, und man darf nicht an das Niederschlagen des Gegners denken.

Yamamoto Tesshu war am Ende der Edo-Zeit ein Gefolgsmann des Shogunats, und nach der Restauration wurde er zum ehrenwerten Ausbilder des Kaisers Meiji. Er hatte sogar den Tenno (Kaiser) beim Sumo zu Boden geworfen. Es wird erzählt, daß er ungefähr drei Stunden vor seinem Tode einen weißen Kimono anzog, sich im Lotussitz mit dem Gesicht zum kaiserlichen Palast setzte und den letzten Atemzug tat. Das ist etwas, was normale Menschen im allgemeinen nicht können. Es wird gesagt, dass Menschen, die lange trainiert haben, ihren eigenen Tod vorhersagen können.

Wenn der Geist klar wird, scheint sich die Zukunft in der Tiefe des Geistes zu zeigen. In seiner Jugendzeit trank er 4-5 sho (1 sho = 1,8 l) Sake, feierte die Nacht durch und kehrte um 4 Uhr morgens nach Hause zurück. Dann nach zwei Stunden Zazen übte er drei Stunden mit dem Schwert. Beim Laufen trug er eiserne Geta. Er entwickelte Mutoryu (die Ohne-Schwert Schule) und lehrte: „Ohne Schwert zu sein heißt, wir haben kein Schwert außer unserem Geist. Wenn wir dem Feind gegenüberstehen, darf man sich dem vor einem stehenden Feind nicht bewusst werden, man darf sich auch des eigenen Selbsts nicht bewusst werden, man darf sich keiner von beiden Seiten bewusst werden, und das Auge darf nichts anstarren und irgendwo haften bleiben.“ „Im Mutoryu Kenjutsu geht es nicht um Sieg oder Niederlage, der Geist wird geklärt, die Aufrichtigkeit trainiert, wir fordern einen natürlich erlangten Sieg.“ „Unabhängig zu sein vom Schwert und den Willen zu haben, das Ki zu stärken. Das muss hart erarbeitet werden. Ohne Hilfe von außen müssen wir unser Innerstes auf natürliche Weise entdecken (man muss es selbst erfahren).“

Auch wir sollten heutzutage einen solchen Geist fördern. Die heutigen Verhältnisse, die dem Materialismus zu viel Gewicht beilegen, sind nicht gut. Von jetzt an sollten wir weder in der einen noch in der anderen Richtung einseitig fortschreiten.

Nachsatz

Nach Beendigung des Vortrages wurde in der Frage- und Antwortstunde die Ausführung von kokyuho (Atemtechniken) erklärt und auch demonstriert. Es waren ausgesprochen wertvolle Momente.

© übersetzt von Birgit Lauenstein und Peter Nawrot 12/2004