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Interview mit dem Generaldirektor Henry de La Trobe

Off Time Nr. 10

von Kenta Shimizu

Der heutige Interviewpartner ist Henry de La Trobe, der bereits seit seinem 5. Lebensjahr ein Tendokan Schüler ist und sich seitdem schon 38 Jahre intensiv dem Aikido widmet. Seine Eltern sind Deutsch und Japanisch, und Henry, der an den verschiedensten Orten auf der Erde Aikido trainiert hat, ist derzeit Generaldirektor der Firma Eletronic Arts. „Von Shimizu Sensei habe ich gelernt, auf das eigene Herz zu hören“ sagt Henry, und er erzählt uns ausführlich, auf welche Weise er Aikido in seiner Funktion als Generaldirektor verwenden kann.

Henry, Du hast seit Deiner Kinderzeit im Tendokan trainiert, kannst Du uns erst einmal berichten, wie Du begonnen hast?

Als ich 5 Jahre alt war, dachten meine Eltern, daß es gut wäre, wenn ich irgendeine Budo-Kunst lernen würde, und wir gingen in viele Dojos. Zuerst sahen wir uns Judo, danach Kendo und Karate an, aber die meisten gefielen uns nicht, da oft die Dogis stanken und die Köpfe der meisten Schüler kahl geschoren waren (lacht). Und das Dojo von Shimizu Sensei war das letzte Dojo, das wir besuchten. Da mein Vater Shimizu Sensei kannte, besuchte ich von da an regelmässig den Tendokan. Zu jener Zeit unterrichtete Shimizu Sensei auch die Kinder- und Jugendgruppen, er schien mir anfangs sehr grimmig zu sein, und ich fand das Dojo furchtbar. In der Tat war Sensei recht grimmig, nicht wahr (lacht). Shimizu Sensei hat sich immer über mich geärgert, aber ich habe doch viele Dinge gelernt. Seit diesem Anfang sind nun 38 Jahre vergangen.

38 Jahre sind ja unglaublich!

Mein Vater ist Deutscher; ich ging auf die Deutsche Akademie in Japan, habe die Oberschule abgeschlossen und bin dann nach München in Deutschland umgezogen. In München gab es viele Tendoryu Dojos, und wenn Shimizu Sensei für Lehrgänge nach Deutschland kam, habe ich übersetzt. Danach bin ich aus beruflichen Gründen nach Norddeutschland gezogen, besaß dort ein eigenes Dojo und habe etwa 2 Jahre unterrichtet. Dann ging es wieder zurück nach Japan, ich trainierte im Tendokan, bevor ich dann nach Hongkong versetzt wurde, wo ich etwa ein Jahr ein Dojo führte und dort trainierte. Nachdem ich dann noch einmal nach Japan zurückgekehrt war, ging ich in die USA und habe auch dort etwa ein Jahr Aikido unterrichtet. Daher habe ich kontinuierlich Aikido trainiert.

Henry, Du bist nun Generaldirektor bei der Firma Electronic Arts, wie sieht Deine tägliche Arbeit aus?

Electronic Arts (EA) ist eine Firma für Fernsehspiele. Es ist eine amerikanische Firma, und ich habe meine jetzige Position vor drei Jahren angetreten. Die Hauptaufgabe ist es, in Amerika und Europa entwickelte EA Spiele den Bedürfnissen der japanischen Verbraucher anzupassen, und wir beschäftigen uns damit, wie wir sie profitabel verkaufen können. Wir entwickeln auch in Japan einige Spiele, passen sie an, verkaufen das Ergebnis und wollen mit diesem Geschäft wachsen. So reichen die Hauptaktivitäten von geschäftlichen Produktaktivitäten hin bis zum Marketing.

Du hast kontinuierlich Aikido trainiert, wie glaubst Du, konnte das Dir bei Deiner Arbeit nützlich sein?

Da ich schon lange kontinuierlich trainiert habe, habe ich gelernt, nicht aufzugeben. Ich habe Sensei oft ärgerlich gemacht und trotzdem Aikido ohne Einschränkungen fortgeführt. Angesichts des Berufes wird diese Erfahrung wieder belebt. Ich habe Sensei genau beobachtet und vieles über das Leiten einer Organisation, über die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen und darüber, wie man sich als höhergestellter Mensch verhalten muß, gelernt. Auch das Durchschauen von Menschen habe ich beim Zusammensein mit Sensei lernen können. Aber in der Tat bedeutete die gemeinsame Zeit mit Sensei in Deutschland gewaltigen mentalen Streß, und ich war erschöpft. (lacht)

Was für eine Art von Streß war das denn? (lacht)

Ich war zu jener Zeit in München etwa 19 Jahre alt, und wegen der Übersetzungsarbeit für Sensei war ich eine Woche kontinuierlich mit ihm zusammen. Anschließend nach dem Ende des Seminars bekam ich Fieber und brach zusammen (lacht). Das war der Streß! Weil ich Sensei seit meinen Kindertagen kenne, fühlte ich immer beim Aufenthalt in Deutschland, daß er mich völlig durchschauen konnte. Deshalb hat wohl die geistige Anspannung zum Zusammenbruch geführt. Das lag auch daran, daß ich zu jener Zeit gleichzeitig übersetzt habe und Uke war. Ich denke, daß diese Erfahrungen mein heutiges Selbst haben stark werden lassen.

Hast Du etwas, auf das du in Deiner Position als Generaldirektors im allgemeinen besonders achten mußt?

Das ist auch etwas, was ich von Sensei gelernt habe. Shimizu Sensei fährt jedes Jahr zu den Lehrgängen nach Deutschland, und er sagt ganz deutlich, daß man sich durch den Unterschied der Kulturen nicht irreführen lassen darf. Zu sagen, daß etwa so ist, weil man sich in Deutschland befindet, bedeutet, alles gut zu heißen, und daher muß man klar und deutlich vermitteln, was man von menschlichen Verhaltensweisen hält. Ich weiß nun nicht, bis zu welcher Grenze Sensei seinen Stil in die Tat umsetzt, aber so jemanden gibt es heutigen Japan wohl kaum noch.

Nun bin ich in einer Position, in der ich Entscheidungen als Generaldirektor treffen muß, und wenn schwere Entscheidungen fallen müssen, habe ich manchmal als Folge auch das Gefühl der Einsamkeit. Auch wenn ich den Angestellten nach dem Mund redet, ist das keine wahre Nettigkeit. Menschen verhalten sich nicht sehr flexibel, wenn man sich manchmal über sie aufregt, nicht wahr? Aber wenn ein Vorgesetzter sich nicht klar ausdrückt, hat der Angestellte zu einem späteren Zeitpunkt ein Problem. Auch wenn es bei der Aussprache für den Angestellten ausgesprochen unangenehm ist, so ist es doch absolut notwendig, aufzubrausen. Zum Fortbestand einer Organisation ist es notwendig, Angestellten, die einen anderen Standpunkt vertreten, zu widersprechen, und wenn eine klare Richtung vorgegeben werden muß, darf der Vorgesetzte sich nicht damit drücken, daß er sagt, er sei beschäftigt. Ich glaube, daß das ganz sicher auch dem eigenen Nutzen dient.

Wenn man wie Du Henry in Deinem Alter bereits als Manager erfolgreich ist, so ist das hervorragend, nicht wahr.

Ich handele immer mit einer gewissen Verzweifelung. Auch jetzt fühle ich mich nicht ganz wohl, und wegen der bevorstehenden Krise habe ich den Kopf voll. Ich frage mich, ob das alles so richtig ist. Deshalb möchte ich weiter nach oben streben, und das gilt auch für das Aikido, ich denke immer daran, daß ich den nächsten Dangrad erreichen möchte.

Was, glaubst Du, zeichnet erstklassige Manager aus?

Natürlich muß ein Manager Ergebnisse liefern, und er muß an seiner Überzeugung festhalten. Entsprechend der eigenen Überzeugung handelt man so, wie man es für richtig hält. Und das kann wohl nicht jemand, der es allen Menschen recht machen will. Doch mein Selbst hat diesen Zustand noch nicht erreicht.

Deine Tochter betreibt auch Aikido, wie fühlst Du Dich dabei?

Es gibt auch Dinge, die Eltern nicht erkennen können. Das bereitet schon Sorgen (lacht). Doch wenn man sich wirklich um seine Kinder sorgt, muß man auch unangenehme Erfahrungen aushalten, denke ich. Und was Kinder betrifft, so gibt es Dinge, deren Wert für sie selbst sie nicht erkennen können. Und auch in Hinblick auf die Eltern gibt es schmerzliche Dinge, aber man muß doch seine eigene Lebenskraft erhalten, weil letztlich Eltern ihre Kinder nicht bis ins Letzte schützen können.

Aber nun hat meine Tochter von sich aus entschieden, daß sie mit Aikido beginnen möchte. Und wenn man einmal angefangen hat, muß man bis zum Ende entschlossen durchhalten, habe ich ihr gesagt, aber ich habe sie in keinster Weise gedrängt.

Kannst Du uns nun das Geheimnis Deiner 38-jährigen kontinuierlichen Aikido Praxis mitteilen?

Wenn ich darüber nachdenke, ist es die Kontinuität. Und weil ich mir mit viel Mühe die Zeit geschaffen habe, das Dojo zu besuchen. Ich denke intensiv darüber nach, wie ich mich weiterentwickeln kann, und deshalb kann ich diese Zeiten effektiv nutzen. Viel Lebenszeit wird oft verschwendet, nicht wahr? Daher möchte ich mich intensiv und jetzt mit Freunde dem Aikido widmen, und das ist mein Motto.

Für heute vielen Dank!

© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 11/2008

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