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Lehrgang in Mexiko

Off Time Nr. 4

von Kenta Shimizu

Tendoryu Mexiko wurde 1995 vom gegenwärtigen Verantwortlichen von Tendoryu Mexiko, Alfredo Corona, und anderen gegründet. Nach etwa 8 Jahren erfüllte sich ihr Herzenswunsch, und dieses Mal fand der erste Lehrgang mit Shihan Shimizu in Mexiko statt. Am 10. Oktober flogen wir vom Flughafen Narita via Los Angeles nach Mexiko-City. Die Reisezeit ab dem Abflug von Narita addierte sich zu etwa 20 Stunden, und wir kamen um 8 Uhr abends an. Was uns als erstes zunächst begrüßte, war der Nachthimmel von Mexiko-City, der übersät war mit Lichtpunkten, und einen derart überwältigend großen, funkelnden Nachthimmel hatte ich bisher noch nicht gesehen.

Ja, was für ein Bild mögen wir alle bezüglich Mexiko nun haben? Eine in Westernfilmen häufig zu sehende, total staubige mit Kakteen bewachsene Gegend, Menschen, die in Ponchos gekleidet sind, Tequila ... usw. usw.. In Wirklichkeit sind in der Innenstadt der Hauptstadt Mexiko-City moderne Gebäudegruppen aufgereiht, und es erstreckt sich eine Szenerie, die sich in keiner Weise von Europa oder den USA unterscheidet. Und was sich noch mehr von meinem bisherigen Bild unterschied, war die menschliche Natur der Mexikaner. Was mich sehr beeindruckte, war die Höflichkeit der Bedienung in den Restaurants, die eine service-freundliche Einstellung zeigte. Ich war der Meinung, daß auch der japanische Service exzellent ist, aber mir wurde der Eindruck vermittelt, daß man hier die Kunden aus sogenannter Herzensüberzeugung bediente. Es war nicht einfach nur ein heiteres Verhalten, sondern auch bei schnellen Handlungen beugten sie ihr Haupt mit einem aus natürlichem Verhalten entstandenen Lächeln. Jedes Mal, wenn ich in ein neues Land komme, trete ich in Kontakt mit den Menschen, und ich werde mir meiner ausgesprochen falschen stereotypen Einstellungen bewußt.

Am 6. Oktober begann der Lehrgang, und die Trainingszeit war 1 Stunde und 15 Minuten. Es waren etwa 40 Teilnehmer. Sicherlich bestand ein großes Interesse an diesem Lehrgang mit Shihan Shimizu, aber diese Mal nahmen nur ausgewählte Mitglieder der Tendoryu Schülern teil. Man erzählte mir, daß für diesen Lehrgang neue Tatami gekauft worden waren. Die Atmosphäre im Dojo war sehr ruhig, es herrschten Dojoregeln, und ich konnte fühlen, daß die lokalen Trainer die Budo-Verhaltensregeln mit Nachdruck vermitteln. Jedes Jahr besuchen die Trainer von Tendoryu Mexiko den Tendokan, und ich hörte, daß sie alle Dinge, die sie dort sehen und studieren, hier genauso ihren Schülern wiedergeben.

Was mir zunächst anfangs beim Training auffiel, waren die Schwierigkeiten beim Atmen. Es treten nicht irgendwelche Unstimmigkeiten auf, und man kann ganz normal leben, aber Mexiko-City liegt etwa 2300m über dem Meeresspiegel, und man konnte bei plötzlichen schnellen Bewegungen sogar einen Mangel an Sauerstoff spüren. Es war ein Gefühl, als würde die Luftröhre, die von der Nase zur Kehle führt, zusammengeschnürt. Ich konnte mich allmählich daran gewöhnen, und ich mußte auf diese Weise wieder erkennen, daß es an den verschiedensten, mir unbekannten Orten Aikido gibt. Und im besagten Mexiko, einem Land mit unterschiedlicher Kultur, Sprache, Geschichte usw., wird Budo trainiert, das ein Teil der traditionellen japanischen Kultur ist. Und das ließ mich wieder über die Faszination des Aikido nachdenken.

Im Vergleich zu westlichen Standards ist die durchschnittliche Körpergröße der Mexikaner geringer, man kann sagen, daß sie den Japanern ähneln. Sie arbeiten nicht mit Körperkraft, und ich dachte mir, sie machen ein recht gutes Aikido. Wie ich bereits anfangs ausführte, die mexikanischen Aikidolehrer, die Erfahrungen im Tendokan gemacht haben, haben verstanden, daß es im Tendoryu Aikido nicht nur um Technik geht, sondern sie ergründen die Wurzeln und bemühen sich intensiv um Verhalten und geistige Einstellung. Ich konnte während des fünftägigen Lehrgangs ohne irgendwelche Unterschiede zum Training im Tendokan in Japan trainieren.

Ich hatte die Absicht, sozusagen mit der Einstellung des Trainers nach Mexiko zu fahren, aber in Wirklichkeit konnte ich mich, als ich das Bild vor mir sah, wie sie voller Ernst auf der Matte trainierten, im Gegenteil völlig entspannen. Sie vermittelten den Eindruck einer hohen Erwartungshaltung im Training, einer Einstellung, nicht nur auch ein einziges Wort des Shihan verloren gehen zu lassen, und ein Gefühl, daß die jetzt gelernten Dinge vollständig verinnerlichen wollen, d.h. daß sie sich freuten, direkt von einem aus Japan angereisten Lehrer lernen zu können. Und uns vermittelte sich bezüglich des Aikido Trainings ein Gefühl der Dankbarkeit.

Nach dem fünftägigen Lehrgang fand im Hause eines Schülers eine ausgiebige Sayonara-Party statt, und jeder einzelne der Schüler meinte, daß dieser Lehrgang ausgezeichnet gewesen sei. Ich hatte das intensive Gefühl, daß am Standort Mexiko ein neues Kapitel niedergeschrieben worden ist.

Und die Worte, die uns der Verantwortliche von Tendoryu Mexiko, Alfredo (rechts im Bild), zum Schluß sagte: "Auch wenn sich die Nationalitäten unterscheiden, sind doch alle Tendoryu Schüler gleich!" werden mir äußerst eindrucksvoll im Gedächnis haften bleiben.

© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 01/2006