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Sommerlehrgänge 2006 in Europa

Off Time Nr. 7

von Kenta Shimizu

Am 14. Juni dauerte die Reise von Narita bis nach Frankfurt in Deutschland etwa 11 Stunden. Dieses Mal war gerade der Höhepunkt der Fußballweltmeisterschaft, die in Deutschland stattfand, es wimmelte von Menschen aus aller Welt, die zum Feiern gekommen waren, und Deutschland und alle übrigen europäischen Nationen zeigten eine überschäumende Begeisterung.

16. - 17. Juni: Lehrgang in Lüneburg (Deutschland)
18. Juni - 1. Juli: Lehrgang Herzogenhorn (Deutschland)
2. - 4. Juli: Lehrgänge in Maribor und Murska Sobota (Slowenien)
7. - 9. Juli: Lehrgang in Kragujevac (Serbien)

Vor der Abreise stand in Japan die Regenzeit kurz bevor, die Luftfeuchtigkeit war zwar gestiegen, aber die Temperaturen bewegten sich noch um 20 Grad.

Jedoch gerade nachdem die Fußballweltmeisterschaft begonnen hatte, gab es in Deutschland Tage, an denen die Temperatur 30 Grad überstieg; nachdem wir in Frankfurt angekommen waren, konnte ich bei mir danach beim gesamten Aufenthalt in Europa eine leichte Besorgnis erkennen. Der plötzliche Temperaturwechsel hatte – auch wenn ich mir dessen nicht bewußt war – körperliche Konsequenzen, und auf dem zweitägigen Lehrgang in Lüneburg, das die erste Station bildetet, war ich von einer derartigen Müdigkeit ergriffen, dass ich nicht daran denken mochte, dass es sich erst um die ersten zwei Tage handelte.

Zum Glück war Herzogenhorn, wo wir uns nach Lüneburg zwei Wochen aufhielten, hoch gelegen, und das ist ein total erfrischender Ort, der völlig getrennt ist von der kochenden Hitze. An diesem Ort mit dem Namen Herzogenhorn findet jedes Jahr ein Lehrgang statt, seit Shimizu Sensei zum ersten Mal zu Lehrgängen nach Europa kam, und diese Jahr zählen wir das 26. Mal. Am Lehrgangsort, der auf dem Wege zum 1500m hohen Berggipfel liegt, kamen etwa 120 Aikidoka (60 nahmen in der ersten Woche teil, und danach kamen wieder andere 60 Teilnehmer, die die ersten ersetzten). Wenn man von der Bundesstrasse zur Strasse auf den Berg abgebogen ist, dauert die Auffahrt mit dem Auto etwa 10 Minuten. Wenn man den Blick schweifen läßt, sieht man zahllose Berge, Berge, Berge ... .Und an diesem Ort, an dem es außer Bergen und unzähligen Bäumen nur noch den unendlichen blauen Himmel gibt, finden die Lehrgänge statt.

Vormittags dauerte das Training 1 Stunde und 30 Minuten, und das zweite am Nachmittag 1 Stunde und 15 Minuten. Das Training begann am Montagvormittag und das letzte Training fand am Freitagnachmittag statt, und ungefähr ab Mittwoch zeigten die Lehrgangsteilnehmer Spuren der Erschöpfung. Es ist wohl eine ausgesprochen natürliche Entwicklung, dass die Erschöpfung zunimmt, wenn man sich 5 Tage lang ununterbrochen dem Aikido Training hingibt, und es ist eine sehr interessante Sache, weil dadurch wunderbarerweise keine überflüssigen Kräfte mehr eingesetzt werden und allmählich natürliche Bewegungen entstehen. Es ist wohl so, dass dann merkwürdige kämpferische Einstellungen verschwinden, und man sich bereitwilliger mit Aikido auseinandersetzt. Darüberhinaus entsteht im Laufe der Woche bei allen Teilnehmern ein Gefühl der Gemeinsamkeit.

Das Frühstücks- und Abendbüffet nehmen alle gemeinsam ein. Die übrige Zeit ist grundsätzlich frei, einige genießen das Bergsteigen, eine schauen sich Fußball an, einige unterhalten sich miteinander, und einige verbringen die Zeit mit Nachdenken. Man kann vom Lehrgangsort in etwa 20 Minuten den Berggipfel erreichen, und wir sind, wann immer es möglich war, täglich hinaufgestiegen und haben die gute, klare Luft auf dem Herzogenhorn genossen. In diesen zwei Wochen gab es nur wenige Tage, an denen das Wetter regnerisch war, und wir konnten jeden Tag den Gipfel besteigen. Es war wohl so, dass alle Teilnehmer übereinstimmten, dass sich sowohl der Geist und als auch das Herz vom normalen Alltag erholen konnten.

Es wird gesagt, dass sehr viele Teilnehmer die Teilnahme am Lehrgang auf dem Herzogenhorn als große Ehre betrachten. Auch ich durfte bis jetzt an den vielen Auslandslehrgängen teilnehmen, und dieser Lehrgang mit seiner mehr als 20-jährigen Geschichte hat eine besondere Atmosphäre. Man kann sagen, dass es sich um einen heiligen Ort handelt, an dem es keinen Zeitdruck gibt, und man sich dem Aikido und der Natur auf dem Herzogenhorn bis zur totalen Zufriedenheit hingeben kann.

Am 2. Juli fuhren wir mit dem Auto zum Flughafen Zürich in der Schweiz und flogen dann zum Flughafen Ljubeljana in Slowenien. In der zweitgrößten Stadt Sloweniens, Maribor, blieben wir zwei Tage, dann einen Tag in Murska Sobota, das etwas weniger als zwei Stunden mit dem Auto von Maribor entfernt ist, und an diesen zwei Orten fanden Lehrgänge statt. Tendoryu Aikido in Slowenien wurde vor etwa 25 Jahren gegründet, und die Geschichte reicht weit in die Zeit des früheren Jugoslawiens zurück.

An den Lehrgängen in Maribor und Murska Sobota nahmen jeweils etwa 40 Aikidoka teil, aber die Teilnahme war nicht auf Tendoryu Schüler beschränkt, und so nahmen viele Aikidoka anderer Stilrichtungen ebenfalls teil. Auch für mich wurde es zu einer wertvollen Erfahrung, andere Aikidoformen als Tendoryu direkt im körperlichen Kontakt kennenlernen zu können.

Am 6. Juli ging es weiter nach Belgrad in Serbien. Zum dreitägigen Lehrgang in Kragujevac fuhren wir mit dem Auto. Genau wie in Slowenien hat Tendoryu in Serbien eine lange Geschichte, und seit Beginn seiner Auslandslehrgänge fährt Shimizu Sensei nach Serbien. Jedoch seit 2005 hat Tendoryu in Serbien und Montenegro eine Struktur mit vier Verantwortlichen, und ein neuer Anfang wurde gemacht.

Zum Lehrgang in Kragujevac kamen jedes Mal etwa 100 Aikidoka, und wir trafen uns auf einem großen Sportgelände. Die Werbung lief unter anderem im Fernsehsender CM, und Fernsehen und Zeitungen berichteten. Was mir bei der Teilnahme an diesem Lehrgang besonders auffiel, war das Heranwachsen einer neuen Generation. Unter den Schülern, die den Lehrgang organisierten, waren viele junge Männer in den Zwanzigern, und ihre jugendliche Vitalität und ihre Zentripetalkraft waren die Ursache für einen hervorragenden Ablauf des Tendoryu Aikido Lehrganges. Für mich wurde ihre Einstellung zu einer starken Motivation, und wir konnten bis zum Schluß trainieren, ohne dass das Kimochi nachließ.

Zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawiens gab es bedauerlicherweise eine Periode, in der das Tendoryu Aikido wegen des Bürgerkrieges aufgelöst war. Aber nun ist ein neues Land namens Serbien entstanden, das sich Schritt für Schritt weiterentwickelt, und auch Tendoryu Aikido beginnt sich neu zu formieren. Die Substanz des Trainings und die Atmosphäre ist wirklich hervorragend, und ich bin voller Vertrauen, dass Tendoryu Aikido sich in dieser Gegend zukünftig wieder erfolgreich entwickeln wird.

Was mich selbst betrifft, so durfte ich Shimizu Sensei auf seinen Auslandslehrgängen begleiten, bevor ich Uchi-Deshi wurde. Nur gibt es zur bisherigen Teilnahme an den Lehrgängen nun einen Unterschied, als Uchi-Deshi denke ich immer daran, ob ich nicht irgendetwas Bestimmtes tun sollte. Aber ob es nun auf das Klima zurückzuführen ist oder ob ich mich mit meiner Einstellung letztendlich selbst unter Druck setze, meine Erschöpfung hat sich im Vergleich zu bisher stark verändert, und am Ende eines jeden einzelnen Tages atmete ich täglich erleichtert auf mit dem Gefühl „auch heute konnte ich den Tag glücklich überstehen“. Sensei hat immer gesagt: „Wir müssen zu einem unbeschriebenen Blatt Papier werden“. Was körperliche und geistige Erschöpfung betrifft, ist es gut, wenn wir Gefühle im Kopf, die uns am Training hindern, ganz klar erkennen können, weil sie uns den richtigen Weg verfolgen lassen. Diese Gefühle haben mich lernen lassen, dass es in jeder Situation unbedingt notwendig ist, den Kopf klar zu behalten und mit einem allumfassenden Ki voranzugehen.

© übersetzt von Peter Nawrot 08/2006