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Das Ukemi im Aikido

Kawaraban Nr. 42

04/2000

von Kenji Shimizu

“Man sollte Ukemi als das Geheimnis des Aikido sehen”. Das ist meine eigene Erfahrung. Während meiner Uchi-Deshi-Zeit wurde ich vom Begründer ohne Vorankündigung geworfen, darüber hinaus wurde ich gnadenlos gescholten, wenn mein Ukemi schlecht war. Ich machte so viele schmerzhafte Erfahrungen, dass ich ständig besorgt war, ob ich jemals irgendwelche Fortschritte machen würde, wenn ich mich so verhalte. Ich zweifelte stark daran, dass ich als 4. Dan Judo und bei meinen guten Fallübungen so sehr getadelt werden musste.

Aber das war ein Fehler. Ich hatte vergessen, mich innerlich vom Judo zu trennen und von Null zu beginnen. Ich fiel nur, wenn ich wollte. Daher musste ich zwangsweise erfahren, dass sich mein Körper nicht im Einklang mit O-Sensei’s Körper bewegte. Wenn ich nun darüber nachdenke, schäme ich mich, dass ich glaubte, dass ein effektvolles Fallen ausreichen würde.

Ukemi bedeutet, den Atem des Partners zu lesen, und wenn man sich nicht in Einklang mit Nage (der werfenden Person) befindet, kann nicht von wahrem Ukemi die Rede sein. Meisterschaft im Ukemi bedeutet, die Signale der Umgebung wahrzunehmen, die es einem ermöglichen, situationsgemäß zu reagieren. Ein Bambus gibt zum Beispiel entsprechend der relativen Windstärke nach, und wenn der Wind sich legt, kehrt er in seine ursprüngliche Lage zurück. Das ist ganz natürlich und lebendig. Im Aikido geht es nicht um Sieg oder Niederlage. Es ist ein Weg, auf dem wir uns durch das Wiederholen von Techniken verbessern. Es ist wichtig, dass man immer mit Shite (demjenigen, der die Technik ausführt), der einem gegenübersteht, übereinstimmt. Das ist allerdings sehr schwierig.

Obgleich es schwer ist, ein natürliches Fallen, d.h. ein Fallen ohne unnötiger Kraft zu lernen, hat man einen gewaltigen technischen Fortschritt erzielt, wann immer der Körper ein wenig mehr davon verstanden hat. Das mag daran liegen, dass man gelernt hat, die Atemkraft des werfenden Partners in den eigenen Techniken zu benutzen. Und ich war Uke von O-Sensei…

Zurzeit besuchen Menschen aus verschiedenen Ländern mein Dojo zum Training und bleiben zwischen zwei und vier Wochen. Einer von ihnen ist der Lufthansapilot Günther Pillukeit (51 Jahre, 2. Dan), der regelmäßig monatlich im Dojo trainiert, wenn er von Frankfurt nach Narita fliegt. Und jedes Mal trainiert er ernsthaft Ukemi. In letzter Zeit begannen die Studenten in Deutschland, die Wichtigkeit von Ukemi zu begreifen. Ich erfuhr sogar von Erhard Schneider (45 Jahre, 3. Dan), der nach Japan gekommen war, dass während eines Seminars tatsächlich eine Trainingskonferenz über Ukemi stattgefunden hatte. Es ist wichtig, starke Techniken natürlich zu erfahren. Wenn man Ukemi nicht weich und flexibel ausführen kann, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass man eine Technik weich und flexibel ausführen kann.

Das natürliche Fallen im Aikido führt außerdem zum Verständnis des Lebens.

© übersetzt von Birgit Lauenstein