Die Gartenparty
Kawaraban Nr. 53
01/2003
von Kenji Shimizu
Letztes Jahr erhielt ich eine Einladung zur Herbst-Gartenparty. Zur dieser Party, die im Akasaka Kaiserpalast in Tōkyō stattfand, trafen sich ungefähr 1800 Personen aus den verschiedensten Kreisen. Da die älteren Herrschaften in der Überzahl waren, wirkte ich in dieser Umgebung sehr jugendlich. Ferner kamen die meisten im Smoking , und ich als Neuling war inmitten von ihnen in Hakama und Haori (formaler japanischer Mantel) mit altem japanischen Familienwappen. Dieser Kimono, ein Erbstück von meinem Vater und Grossvater, besitzt eine etwa 100-jährige Geschichte. Mit diesem Geist wollte ich an dem Ereignis teilnehmen.
Während ich den wunderschönen Garten und Teich umrundete, wartete ich auf Seine Majestät, den Kaiser und seine Gemahlin mit der kaiserlichen Familie. Und schon bald konnte ich seine Gestalt erblicken. Ich war verwundert zu sehen, dass er sich für jeden Einzelnen Zeit nahm und ihn begrüsste. Es ist bestimmt anstrengend, mit 1800 Personen in Kontakt zu treten. Da wir alle Namensschilder an die Brust geheftet hatten, konnte er mit Zurückhaltung Gesicht und Namen studieren, und man tauschte eine leichte Verbeugung aus. Er stand mir fast in Gesprächsweite gegenüber.
Dann näherte sich die Kaiserin Michiko, die etwas hinter dem Kaiser zurückgeblieben war, blieb auch vor mir stehen und beim Lesen meines Namensschildes ‚Aikidō Tendōryu Vorstand Shimizu Kenji’ sprach sie mich an: „Ach, sie praktizieren Aikidō?“ und bemerkte dann: „Unterrichten Sie auch im Ausland? Alles Gute für die Zukunft.“
Danach sprachen mich Kronprinz Hironomiya, seine Gemahlin Masako, Prinz Akishinomiya und seine Gemahlin Kiko nacheinander an.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, dass meine traditionelle japanische Kleidung besonders aufgefallen ist. Trotzdem hatte ich erneut den Eindruck, dass der kaiserlichen Familie Aikidō bekannt ist. Vor etwa 40 Jahren, als ich Uchideshi beim Begründer des Aikidō Ueshiba Morihei war, gab es nur wenige Leute, die auch nur den Namen ‚Aikidō’ kannten, und ich erinnere mich, dass selbst das Erklären sehr schwierig war. Heutzutage ist Aikidō auch im Ausland weitläufig bekannt, und es wird gesagt, dass die Zahl der Aikidōka Jahr für Jahr ansteigt.
Aikidō trifft das Gefühl der Zukunft.
Durch die Verbreitung des Aikidōs, einer Facette der japanischen Kultur, habe ich einen Beitrag zum internationalen Kulturaustausch mit verschiedenen Ländern leisten können und dafür dieses Mal die öffentliche Auszeichnung vom Aussenministerium erhalten. Seit meiner Uchideshi-Zeit bis heute widmete ich mein Leben dem Aikidō, was mir unerwarteten Lohn einbrachte, und worüber ich sehr glücklich bin.
© übersetzt von Birgit Lauenstein und Peter Nawrot 03/2003