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Gedanken zur Kirschblüte

Kawaraban Nr. 50

04/2002

von Kenji Shimizu

Dieses Jahr ist auf Grund des warmen Frühjahrs die Kirschblüte schon früh abgefallen. Als ich im März ein Seminar in Deutschland hielt, sagte ich den Deutschen, die im ersten Aprildrittel nach Japan kommen wollten, dass sie die Kirschblüte in voller Pracht erleben würden, doch ich hatte mich geirrt. Ich denke, die Art und Weise wie Kirschblüten vergehen, ist so unbeschreiblich Japanisch. Dieses plötzliche Erblühen und dieses plötzliche Vergehen ist vergleichbar mit der Liebe der Japaner zur Philosophie des Lebens und des Todes.

Ich erinnere mich an meine Gefühle zu der Zeit, als ich mich vom Honbu Dojo gelöst hatte und selbstständig machte. Ich bin mit dem Gedanken losgegangen, dass mein Leben wie die Blüte einer Kirsche verlaufe. Es gibt nur ein einziges Leben, und das ist es! Egal was kommen sollte, ich hatte mich entschieden und konnte in Ruhe mein Schicksal erwarten. Und wenn ich zurückdenke, sind 33 Jahre vergangen und ich bin nicht `abgefallen`.

Zuzeit gibt nur noch eine begrenzte Anzahl Budo-Dojos, was den Fortbestand gefährdet. Mein Tendokan Dojo ist, wie es der Name sagt, ein reines Aikido Dojo. Es gibt nicht wenige Fälle, wo das Dojo an andere Sparten wie Ikebana oder an Gedichtgruppen bis zu budofremden Richtungen wie Jazzdance vermietet wird. Auch an den Tendokan wurden solche Anfragen und Wünsche gerichtet, doch habe ich rundherum abgelehnt. Ich wollte meinem Prinzip treu bleiben und die Seele des Budo, die aus der alten japanischen Zeit zu uns überliefert wurde, nicht zerstören. Und ich wurde denn auch oft von Schülern gefragt, ob es so geschäftlich in Ordnung wäre. Macht Euch keine Sorgen, hatte ich mich gebrüstet, doch war ich in Wirklichkeit nervös, ob ich nicht denn doch `abfallen` würde.

Aber die Zeit verging nicht nutzlos, und kaum hatte ich mich versehen, war der Tendokan bekannt. Auch in Deutschland breiteten sich die Wurzeln aus und haben sich verlässlich entwickelt. Ich glaube fest daran, dass es nutzbringend ist eine Sache langfristig zu verfolgen. Weitermachen gibt Kraft.

Beim diesjährigen Auslandsseminar im Frühling, hatte ich die Gelegenheit Herrn Professor Kimura kennen zu lernen. Herr Takeshi Nakane, der japanische Konsul in München hat mich mit Herrn Kimura, einer Autorität auf dem Gebiet der Deutschen Literatur ( Professor an der Uni Regensburg, Emeritus der Sophia Universität ), bekannt gemacht. Professor Kimura hat für die Anfahrt zum Lehrgangsort in Deggendorf zwei Stunden benötigt und hat darüber hinaus beinahe zwei Stunden beim Training - bis zum Ende - zugeschaut. Die 130 Schüler des Seminars, alle stielgemäß in Dogi und Hakama gekleidet und wie Japaner im Kniesitz sitzend, haben ihm zugehört. Folgende dankenswerten Worte äußerte Professor Kimura: `Die Eindrücke, die ich in solcher Unterrichtsatmosphäre erhalten habe waren folgende: So wird traditionelles Budo weitergegeben und die deutschen Schüler lernen ernsthaft. Es gibt keine bessere Japanisch - Deutsche Freundschaft. Aikido ist ein Kulturgut, auf das Japan vor aller Welt stolz sein kann.

Kimura sensei, der auch als Berater bei der Deutsch - Japanischen Gesellschaft tätig ist, fragte mich allen Ernstes, ob ich für meine Auslandsseminare Unterstützung von der Regierung hätte. Als ich daraufhin erklärte, dass das ganz und gar nicht der Fall wäre, machte er ein fragendes Gesicht, an dessen Ausdruck ich mich noch gut erinnern kann.

Meine Blüte ist nämlich noch nicht abgefallen, ich will sie einfach nur blühen lassen.

© übersetzt von Birgit Lauenstein 08/2002