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König der Tiere

Kawaraban Nr. 1

01/1990

von Kenji Shimizu

Was für das Menschenleben auch immer am wichtigsten sein mag, die Gesundheit kommt zuerst. Aber behandeln die Menschen den eigenen Körper nicht viel zu stiefmütterlich? Den Körper haben wir umsonst von unseren Eltern geschenkt bekommen. Vielleicht spüren wir deshalb nichts von seinem Wert, weil wir nichts in ihn investiert haben.

Kopf und Körper des Menschen sind auf geheimnissvolle und rätselhafte Art und Weise geschaffen, und es wird gesagt, dass die Erfahrung und das Wissen einer, etwa einer Million Jahren langen, Periode in unsere Gene eingeflossen ist.

Zudem gibt es mehr als eine Milliarde Gehirnzellen, und es wird gesagt, dass selbst Computer deren Fähigkeiten nicht erreichen.

Und so einen grossartigen Körper vernachlässigen wir und behandeln ihn unvernünftig. Ein Auto, zum Beispiel, im Wert von 2-3 Millionen Yen pflegen wir sorgfältig, aber den eigenen Körper, der wichtiger als alles andere ist und der auch für eine Milliarde Yen nicht hergestellt werden kann, behandeln wir stiefmütterlich.

Vielleicht liegt unsere Sorglosigkeit darin begründet, dass ein Körper im allgemeinen ungefähr 50 Jahre lang fehlerfrei arbeitet. Bei pfleglicher Behandlung kann ein Körper ungefähr 100 Jahre funktionieren, doch ich denke, dass wir die natürliche Lebensspanne eigenmächtig verkürzen. Wir unterliegen verlockenden „Versuchungen“; zerstören darüber hinaus unseren Körper durch den Stress der auf unseren Schultern lastet, arbeiten zu viel, trinken zu viel, ernähren uns einseitig, schlafen zu wenig und so weiter.

Ich fahre seit 12 Jahren nach Europa und hauptsächlich nach Westdeutschland, um dort zu unterrichten, und ich beobachte mit besonders grossem Interesse die Lebensweise der Westdeutschen. Es mag zwar ein wenig übertrieben ausgedrückt sein, aber was die Gesundheit von Körper und Geist anbelangt, so ringt jeder Einzelne aus eigenem Antrieb mit der Frage, „Wie schafft man es, dass der Geist den Körper kontrollieren kann?“, und scheint sich innerlich damit auseinander zu setzen.

Mangelt es uns Japanern nicht zu sehr am Bewusstsein von körperlicher und geistiger Gesundheit? Sollten wir nicht allmählich aufhören unser Beschäftigtsein als Ausrede zu gebrauchen und uns vom „Affen“ zum „Löwen“ hin entwickeln?

Wir sollten uns nicht so wie die Affen verhalten, die schon beim Schälen von Mandarinen oder Erdnüssen das Essen geschäftig in den Mund stecken und nicht zur Ruhe kommen. Wir sollten stattdessen sein wie die Löwen, die Könige der Tiere, die zu Ende essen, danach ruhen und Kraft sammeln.

© übersetzt von Birgit Lauenstein und Peter Nawrot 01/2003