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Sonderbeitrag Frühjahrslehrgang 2005

Kawaraban Nr. 62

05/2005

von Kenta Shimizu

Der folgende Artikel ist eine Zusammenfassung der Eindrücke von Kenta, der gemeinsam mit Shimizu Sensei zu den Auslandsseminaren, die im vergangenen März stattfanden, reiste.

Wir denken, daß es zum tieferen Verständnis führt, wenn Sie zusätzlich die Beiträge unter dem Menüpunkt ‚off time’ auf der Tendokan Homepage lesen.

 - Die Herausgeber -

Wir alle wissen, daß es keine Grenzen gibt, wenn man weit vorausschauen kann. Und doch ist es jedes Jahr dasselbe. Immer wieder erkenne ich, wenn ich auf die Lehrgänge nach Europa fahren darf, ganz klar meine eigene Unzulänglichkeit. Das Training ist zwar die Hauptsache, doch ist es bei einem mehrwöchigen Aufenthalt in Europa natürlich nicht genug, nur an das Training zu denken,  sondern auch an die Dinge des alltäglichen  Lebens, die körperliche Fitness, das passende Verhalten usw..  Vielmehr gibt es neben dem Training viele äußerst kräftezehrende Dinge. Ich möchte meine eigene Position verstehen, ob ich aus mir herausgehen oder zurückhaltend sein sollte. Von nun an möchte ich auf die jeweilige Situation schnell reagieren.

In Genk waren wir bereits das zweite Mal, und weil ich die Stimmung auf den Straßen und das Aikido der belgischen Schüler schon selbst kennengelernt hatte, gab es keine größeren Schwierigkeiten. Wenn man in einer neuen Gegend oder in einem fremden Land in ein Dojo geht, steht man unter einen gewissen Stress, bis man sich an die Atmosphäre des Ortes gewöhnt hat. Diesmal lief alles wirklich gut. Ich war nur besorgt, weil mein Vater und ich erkältet waren.

Am 5. Tag des Dantrainings hatte ich mir das Handgelenk überdehnt. Es passierte beim Training des Sankyo. Die Stellung meines Partners, der den Hebel ansetzte, war ausgesprochen unsicher und instabil, wohl auch weil ich Widerstand geleistet hatte. Ich unterschätzte die Situation und dachte, daß aus dieser Stellung heraus der Hebel nicht wirken würde. Im nächsten Moment aber gab es einen knirschenden Laut. Mir kam der Gedanke, daß ich nicht auf mein Ki geachtet hätte, aber es wurde auch die Körperkraft der Europäer und die Größe des Trainerstolzes bestätigt. Diese Erfahrung war eine ausgesprochen große Lehre, die ich auf diesem Seminar erhielt.

 Es war noch keine Woche um, da wußte ich zu gut, daß die Schmerzen im Handgelenk, die ich mir bei diesem Vorfall zugezogen hatte, während des  Aufenthalts in Europa nicht mehr verschwinden würden. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, daß diese Sache mein Bewußtsein für das restliche Training geschärft hatte.

Ungefähr ab der zweiten Hälfte des Aufenthaltes in Berlin kostete es mich die meiste Kraft. Ein Grund dafür war die Anwesenheit des Fernsehens, das Aufnahmen machte. Einerseits ermüdete ich in zunehmendem Maße, andererseits belastete der Stress, eine gute Vorführung  abzugeben, meinen Körper immer mehr. Es war dann so, daß die Fernsehaufnahmen beendet wurden, ohne daß ich es bemerkte, und ich war ehrlich gesagt erleichtert.  Eigentlich müßte ich es bedauern, keine gute Vorstellung abgegeben zu haben, doch in Anbetracht der damaligen Umstände bin ich zufrieden, die Sache ohne Fehler beendet zu haben.

Als ich allerdings einmal einen Deutschen scherzhaft fragte, ob er nicht bei der Vorführunge an meiner Stelle Uke sein wollte, erhielt ich lachend die Antwort, daß die Rolle des Uke meine Arbeit wäre. Daran erinnere ich mich noch gut. Da mich die Deutschen mit solchen Augen sahen, wollte ich mich wieder zusammenreißen. In der Tat fühlte ich nach den Fernsehaufnahmen bis zum letzten Aufenthalt in Hamburg während des Trainings keine körperliche Müdigkeit mehr. Ich wollte mich eigentlich nicht davon irritieren lassen, doch die Anwesenheit des Fernsehens war nicht zu übersehen. Da ich selbst unerfahren bin, bin ich für die verschiedensten Erfahrungen, die ich machen konnte, dankbar.

Viele der langjährigen Schüler des Tendoryu sind sowohl menschlich wie auch gesellschftlich überaus hochstehende Menschen. Jedes einzelne Wort in einer Unterhaltung hat Gewicht, und ich spüre ihren Esprit. Sie könnnen auf eine über 20-jährige Karriere zurückblicken, da sie lange vor meiner Geburt Aikido zu einem Teil ihres Lebens gemacht haben. Ich finde wirklich ein erhebendes Gefühl, mit diesen Menschen trainieren zu dürfen. Sie haben sich entschieden den Weg des Aikido zu gehen und ohne etwas zu ihrer Technik zu sagen, sind sie, wie sie vor mir stehen herausragende Gestalten. Ich beginne jetzt bloß auch die Erwartung zu spüren, die sie in mich setzen. Das liegt daran, daß sie das Tendoryu-Aikido lieben. Deshalb glaube ich, daß neben den Erwartungen auch bis jetzt noch nicht dagewesene strenge Blicke auf  mich gerichtet sein werden. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ich diese Erwartungen erfüllen kann, doch ich werde mich weiterhin anstrengen.

© übersetzt von Birgit Lauenstein und Peter Nawrot 08/2005